Clemens-Brentano-Preis 2021

Simon Sailer erhielt den Preis für seinen Erzählband „Die Schrift“

Preisverleihung in Corona-Zeiten: Simon Sailer (rechts) erhielt in der Stadtbücherei Heidelberg von Bürgermeister Wolfgang Erichson den Clemens-Brentano-Preis 2021 (Foto: Konrad Gös).
Preisverleihung in Corona-Zeiten: Simon Sailer (rechts) erhielt in der Stadtbücherei Heidelberg von Bürgermeister Wolfgang Erichson den Clemens-Brentano-Preis 2021 (Foto: Konrad Gös).

Für seinen Erzählband „Die Schrift“ (Edition Atelier, 2020) hat Simon Sailer den mit 10.000 Euro dotierten Clemens-Brentano-Preis für Literatur der Stadt Heidelberg erhalten. Der in Wien beheimatete Schriftsteller nahm die Auszeichnung am 21. Juli 2021 im Rahmen einer Feierstunde aus den Händen von Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei Heidelberg entgegen.

Cineastisches Leseerlebnis in subtil-packendem Erzählton

Die Jury hatte die Entscheidung für Sailer im März dieses Jahres gefällt. In der Jury-Begründung heißt es: „Ein Ägyptologe erhält eine rätselhafte, aber faszinierende Schrift, die sein Leben immer mehr aus der Bahn wirft. Mit Elementen der Hoch- und Popkultur spielend, entwickelt Simon Sailer in subtil-packendem Erzählton ein cineastisches Leseerlebnis: ,Die Schrift‘ handelt von der Macht der Zeichen sowie dem Horror, Opfer einer höheren Instanz zu werden. So entsteht, ergänzt durch anspielungsreiche Illustrationen, eine so vielfältige wie doppelbödige Erzählung. Sie ist Thriller und Novelle in einem.“

Schönheit und Schrecken des Lesens

Laudator Thomas Ballhausen (Foto: Konrad Gös).
Laudator Thomas Ballhausen (Foto: Konrad Gös).

In der Laudatio (346 KB) würdigte Dr. Thomas Ballhausen Simon Sailers raffiniertes Spiel mit der Literaturgeschichte und den Möglichkeiten der Literatur: „Sailers Auseinandersetzung mit Schönheit und Schrecken des Lesens, mit der Lebendigkeit der Literatur und ihrer Objekte zeigt sich bei ihm als raffiniertes Spiel mit Referenzen und Verweisen, genreübergreifenden Einladungen an die Grenzlinien zwischen Wirklichkeit und Fiktion. An diesen spannungsgeladenen Nahtstellen, Belegen einer notwendigen Verbindung zwischen dem Realen und dem Erfundenen, wird Literatur möglich, auch oder vielleicht auch gerade wegen einer Welt, die ihren schlechten Ruf nicht ganz zu Unrecht hat“, so Thomas Ballhausen.

Trickreiche Hommage an Zeichensysteme aller Art

Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson lobte Sailers Band als ein so gehaltvolles wie trickreiches Werk: „Das beginnt bereits mit der Hauptfigur, einem Ägyptologen namens Dr. Buri, dem eine rätselhafte, Unheil bringende Schrift zugespielt wird. Doch hat dieser Buri wirklich gelebt? Oder ist er nicht bereits längst tot, wenn der Erzähler das Wort ergreift? Denn dieser Erzähler streut von Anfang an Zweifel an der wahren Identität des Ägyptologen – und ist doch selbst angewiesen auf eine weitere ebenso zweifelhafte Informationsquelle, um seinen Bericht zu Ende bringen zu können. Wem also kann man Glauben schenken in dieser Erzählung? Und: Ist nicht jede Aussage, die wir und andere treffen, letzten Endes ein Rätsel, das es zu lösen gilt, und damit ein Krimi, dessen Auflösung einen in den Wahnsinn treiben kann? Raffiniert konstruiert und ergänzt durch ebenso vielschichtige wie liebevolle Illustrationen, beleuchtet ,Die Schrift‘ somit das geheimnisvolle Wechselspiel zwischen Zeichen und Bezeichnetem, dem wir – die wir von und mit Sprache leben – mit jedem Wort, das wir sprechen, ausgesetzt sind.“

Wundersame Macht des Zufalls

Preisträger Simon Sailer (Foto: Konrad Gös).
Preisträger Simon Sailer (Foto: Konrad Gös).

Preisträger Simon Sailer verwies in seinen Dankesworten auf die wundersame Macht des Zufalls, die nicht nur in seinem Roman eine Rolle spiele: „Die Nachricht, dass ich diesen Preis erhalte, hat mich an meinem Geburtstag erreicht. Die wichtigste Person in meinem Leben, der der Roman gewidmet ist, hat wiederum in Heidelberg studiert.“

Simon Sailer wurde 1984 in Wien geboren, wo er nach Aufenthalten in Berlin, Prag und Paris auch wieder lebt. Er studierte Philosophie an der Universität Wien und der Sorbonne in Paris sowie Arts and Science an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Seit 2017 erscheinen seine Texte in Literaturzeitschriften (so etwa in Bella Triste, Konzepte und entwürfe) sowie in Anthologien. Es folgten erste Auszeichnungen und Festivalteilnahmen. 2019 erschien sein Debütroman „Menschenfisch“ (Müry Salzmann Verlag). Ein Auszug daraus wurde vorab mit dem Literaturpreis der Stadtgemeinde Pliberk/Bleiburg ausgezeichnet. 2020 erschien die nun preisgekrönte Erzählung „Die Schrift“ (Edition Atelier; mit Illustrationen von Jorghi Poll), 2021 „Das Salzfass“ (Edition Atelier), der zweite Band der sogenannten Essiggassen-Trilogie.

Simon Sailer im Podiumsgespräch mit den Studierenden Mia Brauns und Sophie Lauster (Foto: Konrad Gös).
Simon Sailer im Podiumsgespräch mit den Studierenden Mia Brauns und Sophie Lauster (Foto: Konrad Gös).

Profikritiker:innen und Studierende in Jury

Der diesjährigen Brentano-Preis-Jury gehören als professionelle Jurymitglieder an: Thorsten Dönges (Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Christine Lötscher (Literaturkritikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Zürich), Martina Senghas (Hörfunkjournalistin, SWR Mannheim) sowie Dr. Jan Wiele (Feuilleton- und Literaturredakteur der FAZ). Als studentische Jurymitglieder waren Julian Bockius, Frank Pietsch und Ann-Katrin Schwarz beteiligt.

Zum Download:

(Erstellt am 22. Juli 2021)
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