Die UNESCO-Literaturstadt Heidelberg hat den diesjährigen UNESCO-Welttag der Poesie am Montag, 21. März 2021, zusammen mit den Kommunen Ladenburg, Lorsch und Mannheim mit einer gemeinsamen Aktion der Metropolregion Rhein-Neckar gewürdigt. Aufgrund der positiven Resonanz in 2021 erhielten auch dieses Jahr Poesieliebhaberinnen und -liebhaber, die sich vorab angemeldet hatten, unter dem Stichwort „Bei Anruf: Poesie!“ einen Anruf von einer Autorin oder einem Autor und konnten einem Gedicht aus deren oder dessen Feder lauschen. Akustische Kostproben der vorgetragenen Gedichte sowie weitere Impressionen der beteiligten Heidelberger Autorinnen und Autoren stehen auf der Webseite der Literaturstadt Heidelberg unter www.cityofliterature.de zur Verfügung.
35 Autorinnen und Autoren der Metropolregion Rhein-Neckar nahmen an dieser Aktion teil – davon 22 aus Heidelberg: Inga Bachmann, Frank Barsch, belmonte, Katharina Dück, Gertrud Edelmann, Marina Garanin, Konstantin Hanack, Philipp Herold, Barbara Imgrund, Carola Kasimir, Juliane Sophie Kayser, Heide-Marie Lauterer, Silvana Marijanovic, Manfred Metzner, Gerhild Michel, Sofie Morin, Kristin Peschutter, Anne Richter, Şafak Sarıçiçek, Miriam Tag, Marion Tauschwitz und Minu D. Tizabi.
Hier können Sie Rückmeldungen seitens der Autorinnen und Autoren zur Aktion nicht nur nachlesen, sondern auch einer Auswahl an von diesen vorgetragenen Gedichten lauschen:
Inga Bachmann
"Meine Gedichtempfängerin war über meinen Anruf sehr erstaunt - und zum Glück erfreut. Es war eine Überraschung ihrer Tochter für sie gewesen... 'Originell, gefällt mir sehr gut' - so lautete das Feedback. Über die Poesie entsteht sofort ein ganz besonderer Kontakt zu einem bis dahin unbekannten Menschen. Das ist wunderbar."
Inga Bachmann: "Dazwischen"
belmonte
"Meine Gesprächspartnerin war sehr entzückt. Nicht nur scheint sie passenderweise eine Gartenliebhaberin zu sein, das Gedicht war für sie auch ein Lichtblick in einer anscheinend bedrückenden persönlichen Situation. Lyrik kann vieles, sie kann jauchzen, lieben, singen, verschmähen, versöhnen, aber sie kann eben auch eine wichtige Aufhellung sein in düsterer Zeit."
belmonte: "Mein Garten"
Gertrud Edelmann
"Das Erlebnis 'Bei Anruf: Poesie!' war wunderbar. Mein Gegenüber war überrascht, weil im Moment des Anrufes die Aktion in Gedanken nicht mehr gegenwärtig war. Umso mehr freute sich die Person, die von mir angerufen wurde. Sie drückte dies sehr herzlich aus und auch zu meiner Freude gefiel ihr, was ich las. Ich fühlte eine kurze, aber intensive Nähe zwischen uns, auch wenn wir uns gar nicht kennen. Diese Erfahrung schwingt in mir nach ..."
Gertrud Edelmann: "Auf dem See"
Marina Garanin
"Anscheinend kam mein Gedicht gut an, jedenfalls wurde mir gesagt, dass ich die Sehnsucht sehr gut transportiert hätte. Gerade in traurigeren Zeiten sind solch kleine Lichtblicke und Positivität besonders wichtig."
Marina Garanin: "Unwillkommene Heiterkeit"
Konstantin Hanack
"Ich denke, die Aktion kam sehr gut an und die Leute haben sich gefreut. Zwei der Teilnehmer wurden von ihren Verwandten angemeldet und wussten gar nicht, dass man sie anrufen wird. Ich denke, dass das eine nette Überraschung war."
Konstantin Hanack: "Goethe am Rhein"
Barbara Imgrund
Barbara Imgrund: "von blüten und bomben"
Carola Kasimir
"Es war so ein besonderes Erlebnis, durch einen Anruf ein Gedicht zu verschenken, und dabei mit einem anderen Menschen so intim unter vier Ohren zu sein. Wir hatten einen sehr netten, freudvollen und angeregten Austausch über den vorgetragenen Text und die Poesie an sich."
Carola Kasimier: "Momentaufnahme"
Juliane Sophie Kayser
"Es war für mich eine völlig neue Erfahrung: In jedem Fall die intimste Lesung meines Lebens. Ich las der Lyrikliebhaberin mein Gedicht 'Ankunft' aus dem Band 'Luftlinien' vor. Sie sagte: 'Das war ganz toll. Sie verstehen es, mit wenigen Worten sehr viel auszudrücken und das kann eben nur die Lyrik.'"
Juliane Sophie Kayser: 3 Gedichte zum Welttag der Poesie
Heide-Marie Lauterer
"Auch dieses Jahr hat mir 'Bei Anruf Poesie' viel Freude gemacht. Es war beglückend, zu fühlen, dass meine Gedichte eine Verbindung herstellen zu einer Person, die ich nicht kannte. Unmittelbares Verstehen und Mitfühlen. Ich habe meine Partnerin in ihrem (parkenden) Auto erreicht und durfte ihr mein Gedicht lesen. Ihre Reaktion: Überraschung, Dankbarkeit und Freude. Ihr Kommentar zu den Kornblumen: 'Ich habe die Augen zugemacht und konnte alles sehen, während Sie gelesen haben.' Und zu Magic Moment: 'Das habe ich mir gedacht! Im ersten Moment erschrecken, eine Reaktion, die man bereut und dann warten.' Sie hatte nicht mehr viel Zeit für ein Gespräch, doch wozu auch - die Gedichte sprachen für sich selbst!"
Heide-Marie Lauterer: "Echte Kornblumen"
Heide-Marie Lauterer: " Magic Moment"
Manfred Metzner
"Für mein Gedicht erhielt ich viel Lob, was dazu führte, dass ich es nochmals gelesen habe, daraus wurde dann eine Gespräch über den Text, die Kraft der Poesie und Literatur, über das Lesen von gedruckten Büchern und e-books, über persönliche Leseerfahrungen und Lebensläufe. Das Gespräch dauerte fast 1 1/2 Stunden, und die Teilnehmerin bedauerte es sehr, dass sie keinen Gedichtband von mir erwerben konnte. Die Teilnehmerin hatte den Hinweis auf 'Bei Anruf Poesie' aus der Presse und sich sofort angemeldet, da sie diese Idee - gerade in diesen schwierigen Zeiten - ganz wunderbar fand."
Manfred Metzner: "Ich bin ein Anderer"
Gerhild Michel
"Mein aufmerksamer Zuhörer hat sich sehr über meinen Anruf gefreut. In meinem Gedicht 'Ende des Winters' hat ihn besonders die Zeile 'in jeder Knospe wird/neues Leben sich entfalten' berührt. Da er gerne bei diesem Thema bleiben wollte, habe ich ihm noch 2 weitere Frühlingsgedichte vorgelesen. Es war ein freundliches Gespräch, für das wir uns beide bedankt haben."
Ende des Winters
Über den Bäumen ein violett brauner Schleier in wenigen Tagen werden die Knospen aufbrechen ihre winterlichen Hüllen abwerfen und in jeder Knospe wird neues Leben sich entfalten wird zartes Grün über Zweigen und Kronen schimmern und bald ein neues Blätterdach bilden uns so vertraut als sei es immer so gewesen
Sofie Morin
"Was für eine Freude, mit wenigen Zeilen zur Zeit, auf offene Ohren zu treffen! Denn auch Hoffnung ist ansteckend. Es scheint eine gute Idee, liebe Mitmenschen bei der Aktion 'Bei Anruf. Poesie!' fürsorglich anzumelden. Einander in eine poetische Weltbetrachtung einzuladen, ist, so glaube ich, eine Art angewandten Friedens. Beharrlich siebt es aus der Aggression ringsum das, was die ursprüngliche Wortbedeutung von 'Aggredere' meint: ein Hinzugehen auf das Fremde. Und zeigt, dass jedes innige Hinsehen das Gegenüber als einzigartig und schätzenswert bewahrt."
Sofie Morin: "kriegsgebettet"
Kristin Peschutter
"Auch dieses Jahr war es wieder ein bewegendes Erlebnis, das eigene Gedicht einer unbekannten Person am Telefon vorzutragen. Im Vorfeld leichte Aufgeregtheit und Neugierde, im Nachgespräch ein anregender und dankbarer Diskurs über neue Eindrücke und Zugänge zum eigenen Schreiben. Vielen Dank für diese schöne Aktion."
Kristin Peschutter: "Frühling gibt Hoffnung"
Anne Richter
"Es war eine große Freude für mich, Gedanken in dieser besonderen, verwandelten Form mit einem interessierten und feinfühligen Zuhörer zu teilen. Eine schöne Begegnung."
Şafak Sarıçiçek
,,Das Schönste an dieser Aktion, an der ich wegen der ihr innewohnenden Schönheit zum zweiten Mal teilnehme, ist einmal der Moment, in dem die Person auf der anderen Seite des Hörers realisiert, dass dies der Anruf ist, mit dem ihnen ein Gedicht vorgelesen wird und war dieses Mal auch das erfreuliche Lachen nach dem Vortrag des Gedichts, dessen dadaistische Art im Vorfeld angekündigt wurde!''
(Kampfscene aus der komisch-phantastischen Oper ''Der Seefahrer'')
Königin Ananaskopf auf vergorenem Posten hostet Hostien tropft der traumtöpfer korallennarben kriechschlick kriechschlickend am Millenialstrand füttert Schlanglagen-Rolln also die Geliebten.
Ananako Annanenko Kunni-Gun Kunigunde Tunichgut Kleistert Kleie in Kleeballfelder sie blinde füttert sieblinde sieb weep ein miefbeef also Ananako.
Miriam Tag
"In diesen nicht leichten Frühling schicke ich eine Schwalbe. Sie spürt, wie getragen sie ist, auch mitten im Sturm. Die Magie der Poesie: Sie trifft auf eine Hörerin, deren vergangene Woche auf verwandte Weise schwer und leicht zugleich war."
Miriam Tag: "yila, schwalbe"
Marion Tauschwitz
"Barbara - hatte geschwindelt, was sie aber gleich zu Beginn unseres Gesprächs zugab: Sie hatte von der Aktion 'Bei Anruf Poesie' in der Zeitung einer Freundin gelesen, bei der sie zu Besuch war. Und sie hat sich einfach angemeldet, ohne aus der Region zu sein. Mein Anruf erreichte sie - in Kassel. Worte überwinden Distanzen im Flug. Barbara berührte, dass in meinem Gedicht ein Apfel vorkommt. Ein Apfel hat in ihrem Leben eine ganz besondere Bedeutung: Ein unbekannter Mann hatte ihr vor Jahren einfach so auf der Straße einen Apfel geschenkt. Zufällig trafen sie sich wieder - und dieser Mann ist heute: ihr Lebensgefährte. Und dann bat sie mich, das Gedicht noch einmal zu lesen: 'Aber warten Sie', sagte sie, 'jetzt möchte ich mich bequem hinsetzen und meine Hand aufs Herz legen, während ich zuhöre. Vorhin, beim ersten Lesen, war ich noch so aufgeregt'."
Minu D. Tizabi
"Literatur wird insbesondere dann lebendig, wenn sie andere Menschen berührt, den Augenblick färbt, eine gewisse Stimmung transportiert. Unbekannten Zuhörer*innen einen Text über das Telefon vortragen zu können ist einer dieser besonderen Augenblicke, daher hat mich die Aktion sofort angesprochen."
Kettengedicht "Dit zijn wachtende dagen / These are waiting days"
Die UNESCO-Literaturstadt Utrecht hat ein Kettengedicht als mehrsprachige Hörfassung veröffentlicht, an dessen Entstehen über 12 Monate Lyrikerinnen und Lyriker aus 12 UNESCO-Literaturstädten mitgewirkt hatten; für Heidelberg nahm Miriam Tag an der Aktion teil. Hier ist das Gedicht mit den Strophen in jeweiliger Originalsprache und durch die Stimmen der Lyrikerinnen und Lyriker selbst zu hören. Weitere Informationen und die englische Gesamtübertragung auf der Webseite der UNESCO-Literaturstadt Utrecht. Die englische Übersetzung des Beitrags von Miriam Tag stammt vom Heidelberger Übersetzer Rod Rojas.
Music/Sound design: Wietse Leenders | Mastering: Dennis Gaens | Voice over: Christiana Steenstra
"So I'll Talk About It" von Serhij Zhadan
gelesen von Lyriker:innen aus UNESCO-Literaturstädten
Als Ausdruck des vereinten Willens, auch weiterhin zum Krieg in der Ukraine nicht zu schweigen, und als solidarisches Zeichen an die ukrainischen UNESCO Creative Cities Charkiw, Lwiw und Odessa am Welttag der Poesie 2022, rief die UNESCO-Literaturstadt Melbourne Schriftsteller:innen aus UNESCO Cities of Literature dazu auf, gemeinsam "So I'll Talk About It" ("Ось про це і розповім") des ukrainischen Dichters Serhij Zhadan (Сергія Жадана) zu lesen, übersetzt von John Hennessy und Ostap Kin.
Teilnehmende Dichter:innen in der Reihenfolge ihres Erscheinens:
Kathleen Jamie, Edinburgh Ralph Dutli, Heidelberg Liv Torc, Jim Causley, Exeter Caleb Rainey, Iowa City Gerardo Rodríguez Salas, Granada Molly Naylor, Norwich Jo Flynn, Manchester Barbara Imgrund, Heidelberg Markku Nieminen, Kuhmo Carolina Pihelgas, Tartu Panda Wong, Melbourne Javier Gilabert, Granada Reece Williams, Manchester
Maison de Heidelberg in Montpellier: "Rencontre avec Hans Thill"
Der in Heidelberg lebende Lyriker, Übersetzer und Herausgeber Hans Thill - zuletzt 2021 mit dem Basler Lyrikpreis geehrt - präsentierte zusammen mit dem Schriftsteller und Übersetzer Michaël Glück (Montpellier) im Maison de Heidelberg in Heidelbergs französischer Partnerstadt Montpellier am Welttag der Poesie aktuelle Gedichte und sprach über sein lyrisches Werk.