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Rezensionen und Berichte

aus der Feder der

Heidelberger Literaturscouts

Buchrezensionen

Die Heidelberger Literaturscouts tauschen sich nicht nur intensiv über Bücher aus, ihre Leseerfahrungen teilen sie auch in Buchbesprechungen auf Instagram, in Schülerzeitungen und vielerorts mehr.

Rachel Griffin: Wild is the Witch, Oetinger, ab 14

Titel von "Wild is the Witch" (© Oetinger).

von Ava, 2024 erschienen im Magazin "Fabulinchen" der Kinder- und Jugendbuchhandlung Murkelei  

Die beste Lovestory ist die von ehemaligen Feinden.

Die 18-jährige Iris ist eine Hexe, aber das soll niemand wissen. Sie arbeitet mit ihrem Rivalen Pike in einem Wildgehege. Als Pike etwas besonders Abfälliges über Hexen sagt, verflucht sie ihn in der Absicht, den Fluch anschließend wieder aufzuheben. Doch dabei passiert etwas Schlimmes und sie findet sich auf einer Verfolgungsjagd nach einer Eule in der Wildnis wieder - mit Pike.

Das Buch hat eine fesselnde Lovestory, aber nicht nur das: Es ist mitreißend, spannend und manchmal auch traurig. Die Natur wird sehr authentisch, die Magie sehr ungewöhnlich beschrieben.

Das Buch ist eine Empfehlung für alle, die Romantasy mit Spannung und düsteren Wendungen mögen.

Nina Martin: Lucid Night, Fischer, ab 14

Titel von "Lucid Night" (© Fischer).

von Anna, 13 Jahre, 2024 erschienen im Magazin "Fabulinchen" der Kinder- und Jugendbuchhandlung Murkelei  

Selena ist ein besonderes Mädchen. Sie träumt nicht, kann aber durch die Träume anderer Menschen wandeln – sie ist eine Traumgängerin. Nur ist das eigentlich gar nicht möglich, es gibt nämlich nur männliche Traumgänger! Auf der Suche nach Antworten bricht Selena auf in die Welt der Träume …

Ria hat ein ähnliches Problem. Auch sie träumt nicht, jedoch glaubt ihr das niemand! Bis sie den berühmten Influencer Yunus Dede trifft. Wird sich für Ria nun alles ändern?

Lucid Night ist der traumhafte Auftakt einer Fantasy-Trilogie voller Abenteuer, Romantik und der unglaublichen Macht der Träume. Zu empfehlen für alle Fans von „Silber“, der Trilogie von Kerstin Gier.

Lauren Muñoz: Suddenly a Murder, ONE Verlag, 2024, ab 14

Titel von "Suddenly A Murder" (© ONE Verlag).

von Jay Jähnisch

Sie sind jung, erfolgreich und sie haben ihren Freund umgebracht. In dem 2024 beim ONE Verlag erschienenen Jugendkrimi “Suddenly a murder” von Lauren Muñoz reisen sieben frischgebackene Highschoolabsolventen auf eine unbewohnte Insel, um nach ihrem Abschluss eine rauschende 1920er Party zu feiern. Trotz der unglaublichen Kulisse und den stilechten Accessoires verfangen sich die Jugendlichen jedoch schnell in Streitereien und Anfeindungen, ausgelöst durch Geheimnisse, Neid und Hinterhälte, die sich über die Jahre ihrer gemeinsamen Schulzeit angestaut haben. An einem Abend schließlich der laute Knall: Einer ihrer Freunde wird tot in seinem Zimmer aufgefunden - mit zahlreichen Messerstichen im Rücken. Die darauffolgenden Ermittlungen bringen die Jugendlichen heftig ins Schwitzen, denn jeder von ihnen hat Geheimnisse, die er der Polizei lieber nicht anvertrauen möchte…

Lauren Muñoz gelingt ein unglaublich spannendes Debüt, mit vielen Irrungen und Wendungen, welches die Leser bis zum Ende fesselt. Dies ist unter anderem der bildhaften Erzählweise und den geschickt eingesetzten Informationslücken zu verdanken, aufgrund derer man das Buch kaum noch aus der Hand legen möchte.
Auch die Figuren sind so lebendig beschrieben, dass der Leser mit ihnen fühlt und sich unweigerlich wünscht, keiner von ihnen möge der Mörder sein. Dabei überzeichnet die Autorin die maßlosen Ansprüche ihrer Charaktere, welche im Alter von 18 Jahren bereits Yachten und Flugzeuge besitzen. Doch tut sie dies bewusst und nutzt das besondere Setting, um einen extravaganten und ausgefallenen Kriminalfall zu konzipieren.

Obwohl der Roman als Debüt lobenswert mitreißend ist, bleiben am Ende einige Fragen ungeklärt und aufmerksame Leser können die Auflösung bereits früh erahnen. Dies nimmt dem Verlauf der Handlung jedoch nicht die Spannung und darf im Sinne des Vergnügens gekonnt übersehen werden.

Besonders für eine jüngere Leserschaft ist der Kriminalroman sehr zu empfehlen, der neben Prunk, Macht und Neid auch ganz grundlegende Themen des Erwachsenwerdens anspricht, wie die erste Liebe, beste Freunde sowie Verantwortung und Schuld.

Ursula Poznanski: Cryptos, Loewe, 2020, ab 14

Titel von "Cryptos" (© Loewe).

Instagram-Post vom 26.12.2024 von Carolin Durani

„Cryptos“ von Ursula Poznanski – ein fesselnder Blick in die Zukunft!

Stell dir eine Welt vor, in der virtuelle Realitäten das wahre Leben ersetzen – und du für die Gestaltung dieser Welten verantwortlich bist. Kerry liebt ihren Job als Weltendesignerin, bis eine ihrer Kreationen zur tödlichen Falle wird. Doch wer steckt dahinter? Und was passiert, wenn die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwimmen?

Mit „Cryptos“ nimmt uns Ursula Poznanski mit auf eine packende Reise voller Spannung, Intrigen und brennender Fragen: Wie weit dürfen wir gehen, um der Realität zu entfliehen? Und was passiert, wenn die virtuelle Welt unser Leben bestimmt? 🤯🌐

💡 Mein Fazit: Eine spannende Dystopie, die nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken über unsere digitale Zukunft anregt. Absolut lesenswert!

📚 Habt ihr es schon gelesen? Was denkt ihr über die Idee von virtuellen Welten? 💬

Über Ursula Poznanskis Jugendbücher

von Jay Jähnisch

Ich kann mich noch sehr genau an das erste Mal erinnern, an dem ich von Ursula Poznanski hörte. Es muss im Sommer 2019 gewesen sein, unsere Klasse war mit dem Zug zu einem Ausflug unterwegs und eine meiner Freundinnen hatte Erebos auf die Fahrt mitgenommen. Von ihr erfuhr ich, dass dieses Buch gerade in aller Munde war und von einem mysteriösen Computerspiel handelte. Daher war ich sofort - ziemlich desinteressiert. Trotzdem rang ich mich schließlich dazu durch, der Geschichte doch eine Chance zu geben. Glücklicherweise muss ich rückblickend sagen, denn dieses erste Buch öffnete mir eine Tür in eine neue Welt von abenteuerlichen und spannungsgeladenen Geschichten über die Möglichkeiten und Gefahren unserer digitalen Welt sowie zu hochinteressanten ethischen Fragestellungen, die alle aus einer Feder stammen: der Ursula Poznanskis.
Bereits bei der ersten Lektüre fiel mir Poznanskis simpler, aber eingängiger Schreibstil auf. Sie versteht sich meisterhaft darauf, die Aufmerksamkeit des Lesers zu packen und bis zum Ende nicht mehr loszulassen. Jedes ihrer Bücher hat eine so fesselnde Wirkung, dass man es kaum noch aus der Hand legen kann. Nach Erebos las ich also Erebos 2, Thalamus und Elanus - allesamt Unputdownables, ausgeklügelte Thriller, jedoch für mich mit einem Haken: Das Ende erschien mir immer etwas unglaubwürdig und unausgereift, was mich nach den vorangegangenen, gut durchdachten Geschichten überrascht hat.
Nur einmal jedoch hat mich die Autorin tatsächlich enttäuscht. Die in Hamburg spielende Kriminal-Dilogie Anonym - Invisible passt so gar nicht in den Kontext der mir bekannten Poznanski-Jugendthriller. Die unsympathischen Charaktere, blutrünstigen Szenen sowie eine besonders enttäuschende Auflösung konnten mich leider nicht überzeugen. Dabei ist die dem Krimi zugrunde liegende moralische Problematik sehr interessant: Poznanski wirft die Frage auf, wie weit Internet-User in einem anonymen Forum gehen würden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben würde, über die Hinrichtung eines ihnen unbekannten Mitmenschen abzustimmen.
Dann kam jedoch die Krönung in Form eines neuen Buches: Cryptos. Cryptos ist eine Dystopie, in der die Welt von Klimakatastrophen heimgesucht wird und die Menschheit sich in virtuelle Realitäten flüchtet. Jana ist Weltendesignerin für die Firma Mastermind und dabei ziemlich erfolgreich. Als jedoch ausgerechnet in einer ihrer virtuellen Welten Menschen spurlos verschwinden, geht Jana dem merkwürdigen Phänomen nach und kommt dabei einer schrecklichen Verschwörung auf die Spur.
Anders als die zuvor erschienenen Geschichten Poznanskis, ist diese von Anfang bis Ende rund, gut durchdacht sowie mit einer intelligenten Lösung der Konfliktsituation ausgestattet - und dabei mindestens genauso fesselnd wie Erebos und seine Nachfolger. Daher ist es einfach zu sagen, dass Cryptos mein großer Favorit ist, den ich allen Poznanski-Fans und Neuankömmlingen nur wärmstens empfehlen kann.
Ein weiteres besonders gelungenes Buch Poznanskis ist Shelter, ein Versuch, die Entstehung von Verschwörungsmythen zu erklären, in dem Poznanski deren mögliche Gefahren erkundet, dabei jedoch weiterhin auf Spannung und einen flüssigen Schreibstil setzt. Sicher ist: Solange Ursula Poznanski schreibt, werde ich ihre Bücher mit Begeisterung lesen. Einige ihrer neuesten Erscheinungen stehen bereits ganz oben auf meiner Leseliste, während ich gespannt auf kommende Abenteuer und weitere gesellschaftliche Diskussionen der Autorin warte.

Anja Reumschüssel: Über den Dächern von Jerusalem, Carlsen, ab 14

Titel von "Über den Dächern von Jerusalem" (© Carlsen).

von Franka Rau, 19 Jahre, 2024 erschienen im Magazin "Fabulinchen" der Kinder- und Jugendbuchhandlung Murkelei  

Wie entsteht ein Hass, der Menschen hinter dem Begriff „Feind“ verschwinden lässt?

Vier Perspektiven im Wandel der Zeit auf den Nahostkonflikt.

Die fünfzehnjährige Tessa überlebt das Konzentrationslager und trifft in Jerusalem auf Mo, der seinen Vater bei einem zionistischen Anschlag verloren hat.

Die israelische Soldatin Anat trifft während ihres Diensts auf den Palästinenser Karim.

Gemeinsam diskutieren sie über Verlust und Gerechtigkeit, über die Idee von Frieden.

Es ist ein Roman, der in die Tiefe geht, der nicht nur von Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen gelesen werden kann, als Appell zu einem respektvollen, gewaltfreien Austausch.

Lara Schützsack: My Body is a Cage, Fischer Sauerländer, ab 14

Titel von "my Body is a Cage" (© Fischer Sauerländer)

von Franka Rau

Schonungslos und ohne Trost

Schonungslos und ohne Trost erzählt „My Body is a Cage“ von Lara Schützsack die Geschichte einer großen Schwester, Lucinda, die unter Suizidgedanken, Depressionen und Magersucht leidet. Aus der Perspektive Malinas, der jüngeren Schwester, werden der sich verschlimmernde Krankheitsverlauf und Lucindas Sehnsüchte geschildert. Der Schreibstil erinnert an Coming-of-Age-Romane wie „Looking for Alaska“ von John Green, aber Malinas kindliche Neugier und Unverständnis täuschen nicht über die Hoffnungslosigkeit der Realität einer dysfunktionalen Familiendynamik, einer erfolglosen Therapie und der Bekämpfung psychischer Krankheiten hinweg, die ein durchgängiges Element im Roman darstellen. Dabei stellt der Roman nicht die Frage nach dem Warum und betont eine alltägliche Unausweichlichkeit des Todes und des Schmerzes. Der Roman lässt sich schnell lesen und es empfiehlt sich, den im Epilog befindlichen Soundtrack während des Lesens anzuhören.
 
Das Buch:
Lara Schützsack My Body is a Cage
Young Adult Jugendbuch über psychische Krankheiten
Fischer Sauerländer Taschenbuch 2024
ISBN 978-3-7335-0784-8
176 Seiten, 9,99 €

Lara Schützsack: Derselbe Mond, Fischer Sauerländer, ab 11

Titel von "Derselbe Mond" (© Fischer Sauerländer)

von Miruna

Von Selbstfindung und Veränderung

Im Roman „Derselbe Mond“ von Lara Schützsack geht es um Selbstfindung, Veränderung und Gefühle.
 
Seitdem Magdalena in die sechste Klasse gekommen ist, hat sich alles bei ihr verändert: Ihre Eltern sind geschieden, sie versteht sich mit ihren besten Freunden Sofia und Flip nicht mehr so wie früher und es scheint so, als wäre das einzig interessante Gesprächsthema Klatsch, Tratsch und Liebe, dabei will Magdalena eigentlich nur Gedichte schreiben. 
 
Aber dann erscheint plötzlich ein neues Mädchen in der Stadt, das völlig furchtlos aussieht. Mit blauen Haaren, „uncooler“ Kleidung und einer Gleichgültigkeit gegenüber den anderen. Magdalena weiß sofort, dass sie sie kennenlernen will. 
 
Zwischen den beiden bildet sich eine enge Freundschaft, die dazu führt, dass Magdalena sich verändert und eine neue Aussicht auf ihr Leben hat. 
 
Das Buch „Derselbe Mond“ von Lara Schützsack empfehle ich für alle, die eine fesselnde Geschichte über Selbstfindung, Veränderung und das „anders sein“ suchen.
 
 
Das Buch:
Lara Schützsack Derselbe Mond, Roman
Fischer Sauerländer 2023
176 Seiten
Für alle ab 11 Jahren

K. L. Walther: The Summer of Broken Rules – Als unsere Liebe begann, dtv, ab 14

Titel von "Summer of Broken Rules" (© Hanser).

von Carolin Durani, 19 Jahre, 2024 erschienen im Magazin "Fabulinchen" der Kinder- und Jugendbuchhandlung Murkelei  

Es ist alles nur Spaß und Spiel ... bis Meredith ihr Herz verliert.

Die 18-jährige Meredith hat ihre Schwester bei einem furchtbaren Unfall verloren und kehrt jetzt mit ihrer Familie auf die Insel ihrer Kindheitserinnerungen zurück. Sie beschließt, dass es diesen Sommer keinen Flirt geben wird. Sie will sich auf ihre Familie konzentrieren. Außerdem hat sie sich eben erst von ihrem langjährigen Freund getrennt. Doch als sie Wit kennenlernt, fällt dieser Plan ins Wasser.

Dieses Buch ist absolut empfehlenswert, um in der Sonne den Sommer zu genießen. Die perfekte Urlaubslektüre! Die Gefühlswelt von Meredith ist mitreißend. Beim Lesen können auch Tränen fließen - aber nicht nur aus Trauer, sondern auch aus Freude.

Rebekka Weiler: Somebody to Love, Ravensburger, ab 16

Titel von "Somebody to Love" (© Ravensburger)

von Ronja

In Somebody to Love von Rebekka Weiler geht es um Freya-Fee und Emiljan-Emil. Beide haben eine Verbindung zu dem verstorbenen Hendrik. Emil ist sein Bruder und Freya war Hendriks Freundin. Beide kämpfen immer noch, auf unterschiedlichste Weise, mit der Trauer. Durch eine Entdeckung von Freya treffen sich die Wege der beiden wieder und sie merken, dass sie mehr verbindet als die Trauer um einen geliebten Menschen.

Das Erste, was mir am Buch aufgefallen ist, war das Land, in dem es spielt: Norwegen. Manche der Referenzen, z.B. Michel aus Lönneberga (oder wie er eigentlich heißt, Emil i Lönneberga), fand ich sehr schön, da ich so etwas skandinavisches nicht oft in Büchern lese.

Die Geschwindigkeit des Buches war angenehm und die Entwicklungen in Hendriks Todesfall und in der Beziehung zwischen Freya und Emil waren ausgeglichen. Die Entwicklungen im Falle Hendrik waren für mich in keiner Weise überraschend, haben aber noch ein paar Fragen beantwortet, die ich hatte, also waren sie auch nicht unnötig.

Alle Charaktere in diesem Buch haben verschiedene Seiten und man kann keine ihrer Entscheidungen als "schlecht" beurteilen. Dass es so viele verschiedene Varianten von Trauer gibt, fand ich persönlich sehr schön zu sehen, da ich das Gefühl habe, das Trauer in Filmen oder Büchern oft gleich dargestellt wird. Es gibt allerdings auch einen Charakter, bei dem ich mir zum Ende hin etwas mehr Klarheit gewünscht hätte, aber vielleicht gibt es die ja noch im zweiten Band, Somebody to Hold.

Mich persönlich hat das Buch nicht am meisten durch den Aspekt der Trauer erreicht, sondern durch die Beziehungen von Freundschaft und Familie. Beide spielen ebenfalls eine große Rolle in dem Buch und haben mich gegen Ende definitiv, in einer guten Art, den Tränen nahegebracht.

Dieses Buch ist allen zu empfehlen, die selbst mit Trauer oder Verlust zu kämpfen haben und allen, die eine heilende Liebesgeschichte lesen wollen.

Das Buch:
Rebekka Weiler Somebody to Love
Northern-Hearts-Reihe, Band 1
Ravensburger Verlag, 2024
480 Seiten, ab 16, 14,99 €
ISBN 978-3-473-58654-7

Nicola Yoon: Als wir Tanzen lernten, cbj, ab 13

Titel von "Als wir tanzen lernten" (© cbj)

von Sarah

Der Roman „Als wir Tanzen lernten“ von Nicola Yoon aus dem Jahr 2022, in deutscher Fassung erschienen bei cbj, erzählt einfühlsam, fesselnd und herzerwärmend die Geschichte von Evie, die ihren Glauben an die Liebe verloren hat.

Nachdem Evies Vater ihre Mutter betrogen hat, ging die für die 17-jährige unerschütterlich erscheinende Ehe ihrer Eltern zu Bruch. Seither hat Evie sich stark verändert, hält Liebe für Quatsch, wenn sie doch unumgängliche Schmerzen bedeutet.
Dieser Glaube verhärtet sich, als sie feststellt, dass sie plötzlich die Zukunft von Paaren vorhersehen kann, die ausnahmslos aus Entfremdung, Trennungen und Leid besteht.
Nach einer Möglichkeit, diese deprimierende „Gabe“ loszuwerden suchend, gerät Evie in eine Tanzschule, in der sie auf den mysteriösen X trifft, einem typischen Herzensbrecher. Doch mit dem Aufeinanderprallen ihrer Welten und Philosophien, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten und eine unentrinnbare Faszination.

Das Buch ist ein absoluter Pageturner, spätestens nach der ersten Rückblende gelingt es Nicola Yoon, die Leser*innen in ihren Bann zu ziehen. Ihr Schreibstil ist wunderbar flüssig und angenehm, die Charaktere sind lebendig und liebevoll ausgestaltet und die Autorin schafft eine wunderbare Wohlfühl-Atmosphäre mit sich sehr bildlich vor dem inneren Auge abzeichnenden Handlungsräumen.

Vor allem ist aber der Kapitelaufbau bemerkenswert: supplementär zu den klassisch erzählenden Kapiteln gibt es einige gekonnt gesetzte Rückblenden, sowie eingeflochtene Visionen, die Handlungsstränge anteasern und dadurch die Spannung erhöhen. Auch gibt es Kapitel, die nur aus Evies Listen mit Anmerkungen bestehen und die sowohl vertiefte Einblicke in ihr Inneres gewähren als auch eine bessere Identifikation mit der Protagonistin ermöglichen (z.B. „Ehemalige Lieblings-Genre von Liebesromanen“). Besonders abwechslungsreich wird das Lesen zusätzlich durch interessante Chatgespräche Evies mit anderen Figuren.

Zudem ist die Zeitgestaltung sehr gekonnt, sodass sich die Handlung nie zieht, aber auch keine Löcher entstehen und man von Höhepunkt zu Höhepunkt wandert. Auch das Tanzthema ist wunderbar aufgegriffen und eingesetzt worden, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es etwas ausführlicher ausgebaut worden wäre.

Weiter ist die mysteriöse Gabe, die Evie zuteilwird, meiner Meinung nach vollkommen schlüssig eingeflochten. Dieses fantastische Element wirkt keineswegs befremdlich, auch wenn die Gabe bis zum Schluss ein Rätsel bleibt. Doch dies ist notwendig, um so den besonderen Zauber beizubehalten.

Mein einzigen beiden wirklichen Kritikpunkte bestehen darin, dass Evie erstens dem/der Leser*in nicht wie eine 17-jährige erscheint, sondern jünger und weniger reif, sodass ich beispielsweise lange dachte, ihre kleine Schwester wäre deutlich älter als sie, diese wiederum ist nämlich ausgestaltet, als wäre sie etwa 19/20 Jahre alt. Doch das stört nicht großartig, es sorgt lediglich für leichte Verwirrung.

Zweitens erscheint es mir unschlüssig, warum Evie am Ende, um eine Begebenheit zu verhindern, nicht eingreift. An der Stelle fände ich etwas mehr Ausgestaltung wünschenswert. Es scheint etwas, als hätte die Autorin ein Seitenlimit gehabt, das sie nicht überschreiten durfte, was sich aber in diesem Fall, meiner Meinung nach, leicht negativ auf das Werk auswirkt.

Wer auf Grund des Covers und Titels aber annimmt, „Als wir Tanzen lernten“ wäre bloß eine süße Kuschelromanze, liegt falsch. Dies ist das Buch zwar auch, aber vor allem ist der Roman packend und tiefgründig, voll einzigartiger Persönlichkeiten, von denen man sich gar nicht trennen möchte. Das Buch hat mich mit seinem großen Plot Twist auch zum Weinen gebracht und noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Es ist eine Geschichte, die einem das Leben als Geschenk und die Kostbarkeit des Augenblicks deutlich vor Augen führt, sowie die vielen Chancen, die ein jede*r in seinem/ihrem Leben ungenutzt verstreichen lässt. „Als wir Tanzen lernten“ ist ein Roman, der die Herzen weckt und uns daran erinnert, die Zeit, die uns beschert ist, zu nutzen und zu schätzen, uns offener und mutiger werden lässt. Folglich kann ich allen uneingeschränkt nur empfehlen, „Als wir Tanzen lernten“ zu lesen – Es lohnt sich!

Fakten:
377 Seiten, ab 13 Jahren
Von einer New-York-Times Bestseller Autorin
In über 10 Sprachen übersetzt
ISBN: 9783570166314
Preis: 20€
In der Stadtbücherei Heidelberg sowohl physisch als auch virtuell verfügbar

Berichte & Interviews

Als Heidelberger Literaturscout blickt man hinter die Kulissen, kommt ins tiefergehende Gespräch mit den Profis und entdeckt so einiges in der Welt der Literatur.

Übertreiben ist nur eine Form der Kreativität – Interview mit Lara Schützsack

Lara Schützsack (Foto: C. Schützsack)
Lara Schützsack (Foto: C. Schützsack)

von Sarah

Sarah: Frau Schützsack, wie sind Sie zum Schreiben gekommen, wie sahen Ihre Anfänge aus? Was ist Ihre Motivation?Lara Schützsack: Ich habe als Kind sehr viel erzählt Zuhause und meine Mutter hat immer gesagt, dass man bei meinen Erzählungen rund 50 % abziehen könne. Übertreiben ist aber natürlich auch eine Form von Kreativität. Außerdem habe ich viel gelesen, eigentlich alles, was ich bei uns zu Hause finden konnte. Es gab also von Anfang an eine große Liebe zu Geschichten. Die gab es bei uns zu Hause generell. Wir erzählten alle wahnsinnig gern und viel.
Angefangen zu schreiben habe ich dann aber erst später. Vorher war ich zu beschäftigt mit meinen Freundinnen und dem Leben an sich. Eigentlich habe ich erst kurz vor dem Abitur damit angefangen, erst Gedichte und dann viel später Kurzgeschichten und Drehbücher.
Meine Motivation ist ziemlich simpel: Ich schreibe, weil ich Geschichten liebe. 

Wie würden Sie Schreiben für sich definieren? Was bedeuten Wörter für Sie?

Schreiben ist für mich wie träumen, während man wach ist. Es kann aber auch sehr anstrengend und frustrierend sein. Ein ganzes Buch zu schreiben hat sehr viel mit Disziplin und Durchhalten zu tun.
Ich glaube, Wörter haben einen ähnlichen Effekt auf mich wie Gerüche. Sie wirken sehr direkt, ich kann mich ihrem Einfluss kaum entziehen. Ich empfinde körperlichen Ekel bei einigen Wörtern und andere haben eine beruhigende oder euphorisierende Wirkung auf mich. Es fasziniert mich, wie man durch eine Aneinanderreihung von Wörtern eine intensive Stimmung erzeugen kann, wie sie zu Bildern oder Geschichten werden. Aus dem Nichts. Ich finde Wörter magisch.

Wie sehr leben Ihre Figuren für Sie? Steuern Sie die Geschichte oder sind Sie quasi nur diejenige, die sie aufschreibt?

Die Figuren erschaffen sich auf eine Art selbst. Sie tauchen oft aus dem Nichts auf und haben dann schon einen sehr starken eigenen Willen. Aber auch nicht so stark, dass sie mir eine ganze Geschichte diktieren. Ich würde sagen, es ist eine Zusammenarbeit zwischen mir und den Figuren.

Woher kommen Ihre Ideen und warum schreiben Sie ausgerechnet über die Themen, über die Sie schreiben?

Vieles ist autobiografisch geprägt. Eigene Erfahrungen sind der Ausgangspunkt, von da aus lasse ich mich treiben. Später fließt dann alles mit hinein: Beobachtungen, Träume, die Erzählungen anderer Menschen, Bilder, die ich gesehen habe, Musik, die ich gehört habe.
Ich schreibe über Themen, die mich selbst in meinem Leben beschäftigen.

Woher stammt ihre Faszination für eigenwillige, exzentrische Charaktere wie Lucinda oder November?

Ich finde es bewundernswert, wenn Menschen eine ganz eigene Sicht auf die Welt haben und sich auch trauen, diese vor anderen zu vertreten. Vielleicht ist es auch einfacher, in eine Geschichte einzusteigen, wenn man einen exzentrischen Charakter hat. Diese Figuren geben dann ja auch eine sehr spezifische eigene Stimmung vor.

Was für ein Buch hätten Sie gerne in Ihrer Kindheit/Jugend gehabt oder hätte Ihnen rückblickend geholfen?

Es gab damals schon viele tolle Bücher. Ich kann mich da nicht beschweren. Aber natürlich hätte ich all die tollen Kinder- und Jugendbücher, die es jetzt gibt, auch damals gerne gelesen. Und ein paar von den modernen Aufklärungsbüchern (gerade auch speziell für Mädchen!) wären für mich sicherlich hilfreich gewesen.

Vielen Dank für das tolle Gespräch!

How to Bestsellerautorin – Interview mit Ursula Poznanski

Ursula Poznanski (Foto: Gaby Gerster, Loewe Verlag)
Ursula Poznanski (Foto: Gaby Gerster, Loewe Verlag)

von Sarah

„Ich bin nie zu fröhlich, um einen Mord zu schreiben“
Am 20.01.2025 kam die Bestsellerautorin Ursula Poznanski, die unter anderem die Jugendthriller Erebos, Cryptos und Eleria verfasst hat, in die Filiale der Buchhandlung Schmidt & Hahn in der Heidelberger Hauptstraße, um aus ihrem neusten Roman Scandor vorzulesen. Dabei hatten wir Heidelberger Literaturscouts die Möglichkeit, spannende Einblicke hinter den Kulissen der Autorinnentätigkeit zu erhalten und konnten dank Schmidt & Hahn der Autorin eine Liste mit unseren Fragen geben. Auch hakte das übrige Publikum fleißig nach, sodass wir uns nun ein klares Bild von Poznanskis Arbeit machen können.

Sarah: Frau Poznanski, was ist denn für Sie das Schönste und was das Herausforderndste daran, Autorin zu sein?

Poznanski: Das Schönste ist, dass man seine eigenen Ideen ausleben kann, sich vom eigenen Geschmack leiten lässt, alles allein gestalten kann, wie es einem gefällt. Zwar ist es auch toll, sich die Zeit selber einteilen zu können, aber das braucht schon Disziplin.

Wie kommen denn die Titel für ihre Romane zu Stande?

Poznanski: Für meine Jugendbüchern hat der Loewe Verlag das Konzept, dass die Titel aus nur einem Wort bestehen dürfen, das nicht deutsch ist. So entstand auch der Name und Titel Scandor, er besteht aus den englischen Wörtern „scan“ – das kennt man wahrscheinlich – und „candor“ – das kennt man wahrscheinlich eher nicht und bedeutet Wahrheit. Es wird also die Wahrheit gescannt. So weiß man immer, welches Buch ein Jugendbuch ist, Die Burg zum Beispiel ist keines.

Wenn Sie einen Roman schreiben, wie schreiben Sie ihn? Also schreiben Sie chronologisch und inwieweit wissen Sie schon, was passiert? Wieviel der Handlung entwickelt sich erst im Schreibprozess?

Poznanski: Ich schreibe tatsächlich chronologisch und springe nicht, ganz wichtig ist aber, dass ich mir schon vorher überlege, wie das Ende sein soll und wer was warum gemacht hat. Das wie klärt sich aber erst im Schreibprozess, ich finde, es würde ansonsten die Magie beim Schreiben nehmen. Wenn ich das jetzt als genaue Prozent Anzahl angeben sollte, würde ich sagen, dass etwa 30-40% des Romaninhalts schon davor geplant sind, der Rest entwickelt sich dann.

Wie sieht die Planungsphase für einen Bestseller aus? Wer oder was ist Ihre Inspirationsquelle? Wie schaffen Sie es immer komplett neue Aspekte zu erdenken und darüber solch einmalige Romane zu schreiben?

Poznanski: Ob es ein Bestseller wird, weiß man vorher ja noch nicht, aber die Idee ist quasi wie ein Magnet, der ganz viele Zusatzideen anzieht, ohne dass ich gezielt nachdenke. Da habe ich dann immer so ganz chaotische Dokumente auf meinem Laptop, wo dann irgendetwas steht, von dem ich selbst nicht mehr weiß, was es heißen soll. Wie gesagt, es ist sehr wichtig, schon das Ende zu wissen, aber ansonsten kann alles Inspiration sein. Beispielsweise lese ich manchmal auch Sachen in der Zeitung oder im Internet, die mich auf Ideen bringen. Wenn ich dann aber Fachwissen brauche und recherchiere, frage ich auch beispielsweise bei Krimis einen Ermittler, dem ich dann möglichst vor dem Schreiben alle Fragen stellen kann.

Wie gestalten Sie Ihre Charaktere? Ist da erst die Geschichte, in die die Personen eingepasst werden oder entwickelt sich die Geschichte nach den Figuren? Wie schaffen Sie es, jedes Mal so individuelle Charaktere zu kreieren?

Poznanski: Echte Personen schreibe ich jetzt nicht in meine Romane, das würde mir auch komisch vorkommen, aber ab und an leihe ich mir einzelne Eigenschaften aus. Mit der Geschichte kommen schon automatisch die Figuren und während des Schreibens entfalten sich dann die Stimmen und die Persönlichkeiten, aber wie kann ich nicht richtig beschreiben.

Haben Sie ein Ritual, eine Playlist oder irgendetwas, womit Sie sich jeweils auf ihren aktuellen Roman einstimmen? Inwiefern beeinflusst Ihre Stimmung das, was Sie schreiben?

Poznanski: Ein Ritual habe ich nicht, aber eine Schreibplaylist, die ich eigentlich für alles verwenden kann. Für Die Burg hatte ich sogar eine spezifische erstellt mit ganz viel Gotik und ähnlicher Musik. Aber durch das Lesen von dem, was ich am Vortag geschrieben habe, bin ich eigentlich schon wieder eingestimmt. Und ich bin auch nie zu fröhlich, um einen Mord zu schreiben oder so. Aber klar, wenn es einem mal nicht so gut geht, ist man manchmal nicht so in der Stimmung zu schreiben.

Es ist ja teilweise relativ heftig, was Sie schreiben. Belastet Sie das an manchen Tagen oder sind Sie auch so tief mit Figuren verbunden, dass sie Ihnen sogar leidtun?

Poznanski: Manchmal ist das natürlich schon echt hart, aber nicht unbedingt mental belastend. Wenn ich den Laptop zuklappe, ist dann aber auch gut und die Handlung verfolgt mich nicht irgendwie. Und natürlich schmerzt es mich manchmal, was ich meinen Figuren antue, aber da siegt dann die Geschichte über die Schicksale.

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie eine Schreibblockade haben?

Poznanski: Das ist ganz einfach, Schreibblockaden lasse ich nicht gelten. Ich veröffentliche im Jahr zwei Bücher, da geht das einfach nicht.

Inwieweit sind Sie noch mit dem verbunden, was Sie früher geschrieben haben?

Poznanski: Das ist ganz krass, Erebos habe ich ja jetzt vor wirklich einigen Jahren geschrieben, aber ich gehe immer noch daraus vorlesen, dass muss man sich mal vorstellen! Aber es ist auch mein erfolgreichstes Buch, da es öfters von Schulklassen gelesen wird und dann ganze Klassensätze angeschafft werden. Teilweise blättre ich aber auch in ältere Bücher rein, zum Beispiel Saeculum und bin dann so „Ach guck mal, interessant, das hast du geschrieben!“. Aber ich merke, mit Stellen, die ich in der Ich-Perspektive geschrieben habe, bin ich bis heute noch enger verbunden.

Wie stellen Sie Ihrem Verlag Ihre Ideen vor?

Poznanski: Normalerweise schreibt man ja immer Exposés, aber ich hasse das, das kann gar nicht so gut klingen, wie das Buch ist! Ich erzähle meinem Verlag dann immer kurz ganz wenig, weil ich eigentlich am liebsten gar nicht über laufende Projekte spreche, aber mein Verlag ist dann meistens so: „Gut, schreib!“ und die vertrauen mir auch genug, dass ich bei einem Jugendroman keinen Splatter schreibe und so auf 380 – 430 Seiten kommen.

Wie oft lesen Sie Ihren Text, bis Sie ihn dann an den Verlag schicken?

Poznanski: Mindestens dreimal. Jeden Tag, bevor ich weiterschreibe, überarbeite ich nochmal den Vortag und zwischendurch auch nochmal größere Abschnitte. Dazu kommt dann am Ende ein großer Kontrollgang, bei dem ich dann noch eine Liste Dinge habe, die noch passieren müssen oder anders sein sollen. Überhaupt wird vor allem viel angepasst, raus fliegt tatsächlich sehr wenig. Danach kommt das dann zu meinen ein oder zwei Lektorinnen.

Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Poznanski: Ich tue mir sehr schwer mit Lieblingssachen und habe kein Lieblingsbuch und von meinen eigenen ist es immer das aktuelle, in dem ich noch am meisten drinstecke. Das Problem ist, dass ich mich beim Bücher lesen meistens so fühle, als würde ich einen meiner eigenen Texte Korrektur lesen. Deshalb lese ich ganz viel auf Englisch, da ist das nämlich nicht so.

Wird es eine Verfilmung Ihrer Bücher geben?

Poznanski: Tatsächlich ist einiges im Gespräch, fast alle Bücher sind optioniert, was bedeutet, dass eine Filmgesellschaft die Rechte gekauft hat und es stand schon öfter kurz vor der Verfilmung, aber dann hat sich etwas geändert, aber theoretisch wäre es jederzeit möglich. Ich finde das ziemlich gut, weil ich für die Rechte Geld kriege, ohne etwas dafür zu tun, aber ich habe auch überhaupt keinen Einfluss mehr auf das Ganze und eigentlich ist mir keine Verfilmung lieber als eine schlechte Verfilmung.

Wie sind Sie auf die Idee mit dem Lügenthema für Ihren aktuellen Roman Scandor gekommen? Denken Sie, dass Sie selbst es bei dem Wettbewerb schaffen würden, nicht zu lügen?

Poznanski: Nein. Tatsächlich habe ich während des Schreibprozesses eine Zeit lang darauf geachtet, wie oft ich eigentlich lüge und begonnen, jede Aussage gegenzuchecken, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass so Alltagslügen unser menschliches Zusammenleben sehr viel einfacher gestalten. Und ich glaube jetzt nicht, dass ich besonders verlogen bin oder so, aber viele Floskeln gehören einfach zu unserem Miteinander. Genau diese Floskeln und Alltagslügen waren auch die Ursprungsidee. Ich habe irgendwann begonnen mich zu fragen, was geschehen würde, wenn dieses Konstrukt auf einmal nicht mehr funktionieren würde und was das für unseren sozialen Frieden bedeuten würde, quasi als gesellschaftliches Experiment.

Welche Tipps möchten Sie jungen Schreibenden mit auf den Weg geben und wovor würden Sie warnen?

Poznanski: Warnen möchte ich auf jeden Fall vor Bezahlverlagen, Agenturen, die Geld fordern oder Verlagen, die einen die Druckkosten selbst tragen lassen. Das geht gar nicht und die Bücher werden auch nie in einem Buchladen landen. Wichtig ist, und ich kann es nur betonen, sich das Ende des Romans vorher zu überlegen.

Wenn Sie ein Buch fertig geschrieben haben, sind Sie dann eher traurig sich von der Geschichte lösen zu müssen oder sind Sie erleichtert, dass es vorbei ist?

Poznanski: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich über jede Buchgeburt erleichtert bin, da es wirklich sehr viel Arbeit ist.

Die wohl beste Jugend-Thriller Autorin im deutschsprachigen Raum zu sein: Ist das etwas, dass Ihnen Mut gibt, Sie mit Stolz erfüllt oder gibt es auch Momente, in denen Sie einen gewissen Erwartungsdruck verspüren?

Poznanski: Ein bisschen Erwartungsdruck ist natürlich schon da, der Verlag hofft auf einen Platz auf der Bestsellerliste und ich möchte natürlich die Erwartungen der Lesenden erfüllen, aber ich halte das schon aus, das ist jetzt kein richtiger starker Druck.

Da Sie sich besonders mit technischer Innovation und Ihrer zukünftigen Rolle beschäftigen; Inwiefern glauben Sie, dass KI in 50 Jahren die Aufgaben von Autor*innen und generell in der Buchbranche übernimmt?

Poznanski: In 50 Jahren? Keine Ahnung. Ich würde mich aktuell nicht mal trauen, Prognosen für in fünf Jahren zu stellen! Was absehbar ist, da es schon jetzt beginnt ist, dass KI Übersetzer ersetzen wird und auch die Covergestaltung wird schon heutzutage teilweise von KI übernommen. Ich persönlich möchte das nicht, das werde ich auch in meinen nächsten Vertrag schreiben lassen. Aktuell ist es noch so, dass ich etwa sechs Coverentwürfe vorgelegt kriege und dann sagen kann „Vorschlag 1 gefällt mir, Nummer 5 auch, die 4 geht gar nicht“. Was ich aber nicht glaube ist, dass KI Bücher schreiben wird und Autoren vollständig ersetzt, einfach weil die Leserschaft einen Menschen hinter dem Buch haben möchte und aktuell fühlen sich KI-Romane auch noch nicht so menschlich an. Aber ein Beispiel: KI kann eine Ballerina generieren die sich elf, zwölfmal perfekt dreht, aber das ist doch uninteressant, wir wollen viel lieber eine echte Balletttänzerin sehen, die trainieren musste, bei der es nicht schon vorher klar ist, wie sie tanzen wird.

Zu guter Letzt, wann wird Ihr nächster Roman erscheinen?

Poznanski: Im März wird das nächste Buch veröffentlicht, diesmal für Erwachsene und ich bin auch schon damit fertig. Gerade schreibe ich auch schon an dem nächsten Buch und habe Pläne für das übernächste, doch da müssen der Verlag und ich uns noch einigen.

Frau Poznanski, vielen Dank für das tolle Gespräch!
 
Dieses Interview wurde von Ursula Poznanski im Februar 2025 autorisiert.
Herzlichen Dank dafür!

Die Meisterin der Thriller – Begegnung mit Ursula Poznanski

Ursula Poznanski (Foto: Literaturscouts)

von Sarah

Am 20.01.2025 kam die Bestsellerautorin Ursula Poznanski, die unter anderem die Jugendthriller Erebos, Cryptos und Eleria verfasst hat, nach Heidelberg in die Filiale der Buchhandlung Schmidt & Hahn in der Hauptstraße, um aus ihrem neusten Roman Scandor vorzulesen. Vor Ort: die Heidelberger Literaturscouts.

Scandor, der erfolgreiche Jugendthriller aus dem Jahr 2024, handelt von dem grundlegenden Konzept der Wahrheit. Wieviel ist die Wahrheit wert? Was ist, wenn man auf einmal nicht mehr lügt, sondern nur noch genau das sagt, was man auch so meint? Keine Ironie, keine Floskeln? Was ist, wenn die Wahrheit dich reich machen kann, aber eine einzige Lüge reicht, deinen schlimmsten Albtraum wahr werden zu lassen?

Zur Geschichte: Scandor ist der präziseste Lügendetektor der Welt und wird 100 mutige Teilnehmer während eines Wettbewerbszeitraums ständig überwachen. Die Regeln sind einfach, der Preis ist hoch. Wer bis zum Ende schafft, nicht zu lügen, gewinnt fünf Millionen Euro. Unter den Teilnehmern: Philipp und Tessa. Doch was ihnen als einmalige Chance erschien, entpuppt sich schnell als ein schrecklicher Fehler …

Unterschift U.P. (Foto: Literaturscouts)

Schon lange bevor die Lesung beginnt, hat sich der Verkaufsraum des Buchladens schon ziemlich gefüllt. Überall sitzen Menschen unterschiedlichsten Alters erwartungsvoll mit ihren Büchern in den Händen, die sie hoffen, später signieren lassen zu können. Sie alle schauen zu dem für die Autorin vorbereiteten Platz, dort, wo normalerweise die bestellten Bücher abgeholt werden können und warten darauf, vielleicht schon einen Blick auf sie erhaschen zu können. Als es dann losgeht und Ursula Poznanski mit einer unglaublich warmen und klaren Stimme zu lesen beginnt, hängen alle gespannt an ihren Lippen, unabhängig davon, ob sie die Kapitel aus Scandor bereits kennen oder nicht. 

Danach läutet die Autorin den Fragenteil des Abends ein, aus dem wir Literaturscouts viele Erkenntnisse gewinnen konnten, vor allem da wir, dank Schmitt & Hahn, vorher eine Liste mit Fragen einreichen durften. Ursula Poznanski erzählte nun unter anderem, dass sie keine Exposés schreiben muss, da sie das überhaupt nicht mag und ihr Verlag ihr genug vertraut, um ihr relativ freie Hand bei ihren Romanen zu lassen, nach mündlicher Absprache.

Für die, die sich schon lange fragen, wie die einzigartigen Titel ihrer Jugendromane zustande kommen, gibt es nun auch endlich eine Erklärung: der Loewe – Verlag hat für Poznanskis Bücher nämlich das Konzept, dass die Titel aus einem Wort bestehen müssen, das nicht auf Deutsch ist. So entstand beispielsweise auch der Titel Scandor - es ist die Wortneuschöpfung aus den englischen Wörtern „scan“ und „candor“ und heißt also übersetzt „Wahrheitsscanner“.

Auch erzählte Poznanski uns, dass sie sich während des Schreibprozesses von Scandor eine Zeit lang gefragt hat, ob sie bei dem von ihr selbst erfundenen Wettbewerb gewinnen könnte und wie oft sie eigentlich lügt. Schlussendlich sei sie aber zu der Erkenntnis gekommen, das Lügen wichtig für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind und sie es keinesfalls durchhalten würde, nie zu lügen. Lügen gestalten, so Poznanski, das menschliche Zusammenleben in einigen Situationen deutlich einfacher und manchmal sei die Wahrheit einfach unangebracht. Ihr Roman zeigt das an mehreren Stellen deutlich und kann wohl als ein weiteres von Poznanskis sozialen Experimenten gelesen werden.

Autorin und Scouts nach der Lesung (Foto: Literaturscouts)

Bildlich schilderte sie auch den Entwicklungs- und Schreibprozess ihrer Werke, sprach von möglichen Verfilmungen, gab Tipps an junge Autor*innen und mutmaßte über die zukünftige Rolle von künstlicher Intelligenz in der Buchbranche.

Die Lesung mit Ursula Poznanski war ein sehr gelungener Abend, voll neuer Eindrücke über die Arbeit als Autorin und vor allem begeisternd durch die Möglichkeit, die Person hinter den geliebten Büchern kennen zu lernen. Denn nicht nur die Lesung war eine ganz besondere Erfahrung, sondern jedes einzelne der vielen verschiedenen Bücher von Ursula Poznanski, die wir gemeinsam mit den Heidelberger Literaturscouts gelesen haben, sind meisterhafte Reisen, die es sich auf jeden Fall zu lesen lohnt! Alle bestechen sie durch Poznanskis herausragenden Schreibstil, der nicht nur angenehm zu lesen, sondern auch nervenaufreibend spannend ist.

Scandor im Spezifischen ist so voller unvorhersehbaren Wendungen, die Handlung ergänzenden Minikapiteln und lässt einen wie im Rausch Seite um Seite verschlingen, auch angetrieben von dem stets kleiner werdendem Teilnehmerzähler an jedem Kapitelanfang. Durch die Begegnung mit der Autorin gewann ich eine tiefere Nähe zu ihren Texten und verstand, dass jene Frau, die da vorne saß, wirklich diese genialen Werke geschaffen hat. Ich bekam eine Ahnung davon, wie es ihr gelingt, ihre Romane so einmalig werden zu lassen und habe die Möglichkeit erhalten, ihren Weg mit den Büchern, die ich nachher in den Händen halte, nachzuempfinden.

Wo die Bücher wohnen – Besuch bei der Stadtbücherei Heidelberg

Altes Plakat in Stadtbücherei (Foto: Literaturscouts)

Die Heidelberger Literaturscouts hatten die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen der Stadtbücherei Heidelberg zu werfen. Alexander Baust, der Leiter der Kinder- und Jugendbücherei, führte uns durch unzählige Räume, die den Besucher:innen der Stadtbücherei normalerweise verborgen bleiben. Wir folgten ihm z.B. durch die Buchbinderei, das Bus Magazin, das Magazin, das Möbellager, das alte Internetcafé, durch einige Büros, den Aufenthaltsraum, die Küche und zu unserem Highlight: dem Rückgaberaum. Erste Feststellung: man muss in diesem Gebäude ganz schön viel laufen und kann sich auch schnell verlaufen! Auf unserem Gang hatten wir die Gelegenheit, Herrn Baust so einige Fragen zu stellen.

Heidelberger Literaturscouts: Herr Baust, wie wählen Sie die Medien für die Kinder- und Jugendbücherei aus?

Alexander Baust: Hierfür gibt es verschiedene Auswahlverfahren: Zum einen bieten Dienstleister für Medien einen Lektorats Service an mit einer Vorauswahl, dann gibt es diverse Webseiten über Bücher. Außerdem guckt man sich z.B. die Spiegel Bestellerlisten an und geht auf Buchmessen. Und dann gibt es natürlich auch noch die Anschaffungswünsche von Kunden, die man bei uns einreichen kann.

Heidelberger Literaturscouts: Wohin verschwinden die Bücher, wenn man sie durch das Rückgabe Fenster abgibt? Und wie gelangen sie wieder ins Ausleihregal?

Alexander Baust: Die Bücher landen zunächst auf einem Förderband und werden dann automatisch in verschiedene Behälter vorsortiert. Die Maschine erkennt z.B. ob es ein Buch der Kinder- und Jugendbücherei ist oder zum Bestand des Bus Magazins gehört. Anschließend laden Mitarbeitende die Bücher dann auf Bücherwagen und stellen sie ins „Heute zurück“-Regal. Spätestens am nächsten Tag vor der Öffnung werden sie dann wieder in die passenden Regale in der Bücherei gestellt.

Heidelberger Literaturscouts: Und welchen Prozess durchläuft ein neues Buch, bis es überhaupt zum Ausleihen im Regal steht?

Alexander Baust: Es wird ausgesucht, bestellt, angeliefert, gestempelt, dann wird die Rechnung bearbeitet, es wird systematisiert, mit einem Schutzumschlag beklebt und katalogisiert. Erst dann kommt es ins Regal und kann ausgeliehen werden.

Heidelberger Literaturscouts: Aber wie kriegen die Autor:innen denn ihr Geld, wenn das Buch in der Stadtbücherei steht? Ist das nicht geschäftsschädigend für sie?

Alexander Baust: Die Autor:innen erhalten über die VG Wort eine Ausgleichzahlung, ähnlich zu der Vergütung von Musikern bei Spotify. Die fällt natürlich meist eher gering aus. Aber wenn man die Titel in der Bücherei finden kann, ist das auch eine zusätzliche Werbung für die Autor:innen.

Alexander Baust (Foto: Kempf)
Leiter der Kinder- und Jugendbücherei Alexander Baust (Foto: Kempf)

Heidelberger Literaturscouts: Zum Abschluss noch ein paar Zahlen: Wie viele Medien hat die Stadtbücherei Heidelberg insgesamt?

Alexander Baust: 225.000

Heidelberger Literaturscouts: Und wie viele davon haben die Heidelberger Literaturscouts ausgewählt?

Alexander Baust: 120

Heidelberger Literaturscouts: Wir finden, da ist noch Luft nach oben.

Alexander Baust: Das Regal der Heidelberger Literaturscouts wird gut angenommen und viele Titel sind verliehen. Ich denke schon, dass wir noch ein wenig aufstocken können.

Heidelberger Literaturscouts: Wie viele Ausleihen hat die Stadtbücherei insgesamt im Jahr?

Alexander Baust: 2023 waren es insgesamt etwas mehr als eine Million, inklusive der E-Ausleihe. Rein physische Ausleihen waren es ca. 770.000.

Heidelberger Literaturscouts: Das freut uns. Mehr Mitarbeitende oder mehr Öffnungsstunden pro Woche?

Alexander Baust: Mehr Mitarbeitende, nämlich 48. Öffnungsstunden sind es „nur“ 46.

Heidelberger Literaturscouts: Herr Baust, herzlichen Dank für dieses Gespräch und auch für die tolle Führung.

Alexander Baust: Sehr gerne.
 
Der Besuch der Heidelberger Literaturscouts in der Stadtbücherei Heidelberg fand am 27.11.2024 statt.

“Single all the way” - vom Spiegel-Bestseller Nr. 15, der nur geschrieben wurde, um eine Freundin zu ärgern

Die Autorinnen Stefanie Hasse (l.) und Stella Tack (r.) mit den beiden Heidelberger Literaturscouts in der Mitte. Foto: HDer Literaturscouts

von Sarah

Nachdem wir Heidelberger Literaturscouts gemeinsam begeistert den Weihnachts-Roadtrip Single all the way von Stefanie Hasse und Stella Tack gelesen haben, hatten wir am 20.11.2024 bei einer Lesung eben dieses Buches in Mannheim die Möglichkeit, die beiden Autorinnen persönlich kennenzulernen.
Obwohl wir über eine halbe Stunde zu früh in dem gigantischen Thalia Buchladen ankamen, in welchem die Lesung stattfinden sollte, waren bereits die meisten Plätze besetzt. Viele warteten, so wie wir, schon gespannt mit ihren golden glitzernden Buchausgaben in den Händen auf die Ankündigung der Autorinnen, die dann als Rentier (Stella Tack) und Miss Santa (Stefanie Hasse) verkleidet kamen. Die Stimmung war sofort locker und fröhlich, die Autorinnen rissen viele Witze und forderten das Publikum auf, Fragen zu stellen und mit ihnen zu interagieren.
Nachdem sie sich und ihr Schreiben vorgestellt hatten, lasen sie jeweils ein ausgewähltes Kapitel vor, untermalt von eigenen Soundeffekten und Comedy-Einlagen. Es war wirklich interessant zu erleben, wie unterschiedlich ein Text sein kann, je nachdem, ob man ihn still für sich liest oder die Autorin ihn selbst vorträgt und ihre eigenen Betonungen setzt.
Anschließend wurden noch unterschiedlichste Fragen aus dem Publikum beantwortet, aus denen unter anderem eine mögliche, weitere zukünftige Zusammenarbeit der beiden hervorging, sowie, dass auch sie gerne gemeinsam einen Roadtrip unternehmen würden und dass die Anfänge des Romans eigentlich aus dem Jahr 2020 stammen. Doch aus zeitlichen Gründen und da der Ravensburger Verlag nur einen Weihnachtstitel pro Jahr veröffentlicht, hat es schließlich vier Jahre gedauert, bis wir nun Single all the way in den Händen halten können. Stella Tack und Stefanie Hasse scheinen diese Zeit genutzt zu haben, um die Geschichte wie einen guten Käse reifen zu lassen, auch wenn die Schreibzeit, laut der beiden, zusammengenommen nur einen Monat betrug.
Auch interessant zu betrachten sind die verschiedenen Arten der beiden, zu schreiben. Stefanie Hasse, die die Kapitel aus Samanthas Sicht verfasst hat, berichtete, morgens in ihrem Mailpostfach neue Kapitel von Stella Tack vorgefunden zu haben, da diese nur in der Nacht schreibe, während sie selbst lieber morgens die Geschichte weiterentwickelte. Stella Tack, die im Buch Tristans Sicht schildert, ergänzte, dass sie immer auf ihrem Sofa liegend tippt, Stephanie Hasse dagegen ihren Schreibtisch an einem Laufband habe und joggend schreibt. Auch erzählten die beiden Autorinnen, sich anfangs nicht über die Handlung abgesprochen zu haben und dass sie ihre Kapitel immer absichtlich heikel enden ließen, um “zu schauen, was die jeweils andere daraus macht”.

Buchtitel "Single all the Way" (© Ravensburger).

Wir Literaturscouts stellten ihnen die Frage, was sie geschrieben haben, bevor sie veröffentlichten. Darauf erzählte Stella Tack von ihrem ersten Roman “Die Schlangenpriesterin”, den sie mit 15 Jahren verfasste, den allerdings kein Verlag nehmen wollte. Das, was sie von der Handlung schilderte, klang jedoch so spannend, dass ich, wenn ich könnte, mir den Roman sofort kaufen würde und richtig enttäuscht darüber bin, dass ich nie das Ende erfahren werde.
Am Ende gab es noch die Möglichkeit, sich kurz persönlich mit den Autorinnen zu unterhalten und Bücher signieren zu lassen, sowie in den noch nicht erschienenen Band von Ever & After (eine Märchenfantasiereihe von Stella Tack) hineinzublättern. Auch dabei waren die Autorinnen überaus freundlich und scherzten mit uns.
Doch für mich persönlich war das Bedeutsamste des Abends, als Stella Tack von ihrem Werdegang berichtete. Sie erzählte uns, dass sie in der Schule Probleme hatte und ihr Berufstest ergab, dass sie entweder Autorin oder Müllfrau werden sollte. Da “die Österreicher nicht wirklich wissen, wie man Autorin wird”, berichtete sie, dass sie ein Praktikum bei der Müllabfuhr machen musste, schließlich die Schule abgebrochen hat und nach Amerika ausgewandert ist. Dort schrieb sie in ihrer wohl erzchristlichen Gastfamilie ihren ersten veröffentlichten Roman Luzifer - Des Teufels Sünden. Doch ihrem nächsten Manuskript wurde schon keine Beachtung mehr geschenkt und da der Verlag, wie sie berichtete, nicht einmal ihre E-Mail öffnete, schickte sie einen riesigen, golden besprühten Umzugskarton voller Süßigkeiten und ähnlichem mit ihrem Manuskript an den Drachenmondverlag. Wenn man dem Glauben schenken kann, ist dies die Veröffentlichungsgeschichte ihres Romans Warrior and Peace.
Darüber hinaus berichtete Stella Tack von ihrer starken Legasthenie, durch welche ihr in ihrer Schulzeit eine gewisse Perspektivlosigkeit suggeriert wurde, die ihr wider Erwarten als Autorin jedoch keinerlei Nachteile einbringt, da die verlagseigenen Korrektoren sich ohnehin um Rechtschreibung und Grammatik kümmern. Sie erklärte, ihre Legasthenie gezielt anzusprechen, da sie “den Menschen so viel mehr helfen” könne, als wenn sie sie verheimlichen würde.
 
Kurz gesagt: Es war ein unglaublich schöner und inspirierender Abend, der durch Stella Tacks persönliche Geschichte Mut machte, aber auf Grund des genialen Humors der Autorinnen auch für durchgehende Lacher sorgte. Die Möglichkeit, diese beiden Idole zu treffen, war eine sehr bewegende Erfahrung und motivierte mich, noch in derselben Nacht an eigenen Projekten weiterzuarbeiten.
 
Das Buch: Stefanie Hasse/Stella Tack Single all the way Ravensburger Verlag 2024, ISBN 978-3-473-58629-5

Julia Sunderer und die Murkelei: Mit ihrem Buchladen erfüllte sie sich einen Herzenswunsch

Ladenschild der Murkelei (Foto: Sarah).

Das Interview führte Sarah

Schon bevor ich das Geschäft betreten hatte, fühlte ich mich ganz heimelig hingezogen zu dem urigen Lädchen, mit dem antik anmutenden, gusseisernen Ladenschild und der großen Fensterfront. Drinnen angekommen versetzte mich die gemütliche Atmosphäre direkt in eine wohlige Schmöker Stimmung und die Anspielung auf die phantastische Welt aus dem Buch “Geschichten aus der Murkelei” erschien mir sofort logisch.

Dank einer Kooperation durfte ich am 30.10.2024 im Rahmen der Heidelberger Literaturscouts Julia Sunderer, die Gründerin und Inhaberin der Kinder- und Jugendbuchhandlung “Murkelei” interviewen und hatte so die Möglichkeit, einen besonderen Einblick in das Leben einer Buchhändlerin zu erhalten.

Sarah: Warum sind Sie denn Buchhändlerin geworden? Welcher Weg hat Sie hierhergeführt?

Julia Sunderer: Zuerst habe ich in Heidelberg Literaturwissenschaften studiert, also Germanistik, Anglistik und Philosophie. Danach stellte sich für mich die Frage, wo denn der Weg hingehen soll und ich habe mich entschieden, nach dem Studium noch eine Ausbildung zur Buchhändlerin zu machen. Zu Beginn war ich in einer allgemeinen Sortimentsbuchhandlung tätig. Der Bereich Kinder- und Jugendbuch hat mir allerdings am meisten Spaß gemacht. Die letzten Jahre vor Gründung der Murkelei war ich dann auch in einer Kinder- & Jugendbuchhandlung als Angestellte tätig, bis ich Ende 2018 hier in Heidelberg schließlich mein eigenes Geschäft eröffnet habe.

Sarah: Und welche Aufgaben umfasst denn Ihre Tätigkeit als Buchhändlerin?

Julia Sunderer: Eigentlich ganz unterschiedliche. Zum einen natürlich den Wareneinkauf, d.h. die Auswahl der Bücher und die Gestaltung der Sortimentsschwerpunkte. Zentraler Bestandteil unserer Arbeit sind zum anderen die Kundengespräche, will heißen, dass man Kund*innen bei der Buchauswahl berät und ausgewählte Titel empfiehlt. Dafür müssen wir selbst natürlich auch viele Bücher lesen. Von den Verlagen bekommen wir zum Glück zahlreiche kostenlose Leseexemplare, sodass wir uns von den Büchern, die wir in der Murkelei verkaufen, einen Eindruck machen können.
Des Weiteren stellen wir Büchertische für Veranstaltungen und sind in Sachen Leseförderung aktiv. Zum Beispiel empfangen wir im Rahmen des Welttags des Buches Schulklassen oder bieten Buchhandlungsführungen für Kindergartengruppen an.
Natürlich ist auch wichtig, dass man das Lager aktuell hält, dass man wichtige Titel immer vorrätig hat. Zweimal im Jahr besuchen uns Verlagsvertreter*innen und stellen aktuelle Neuerscheinungen der jeweiligen Kinderbuchverlage vor. Wir überlegen dann, welche neuen Titel wir in unser Sortiment aufnehmen möchten und welche (älteren) Titel aussortiert werden.

Sarah: Und was passiert mit den Büchern, die Sie nicht behalten?

Julia Sunderer: Das ist eine Besonderheit im Buchhandel: Wenn ein Buch sich über längere Zeit, also etwa sechs Monate lang, nicht verkauft hat, dürfen wir es an die Verlagsauslieferung zurückschicken. Das geschieht eigentlich auch immer zweimal im Jahr, bevor die Verlagsvertreter*innen uns besuchen. Dann gehen wir unser Lager durch, sortieren aus und erhalten gegebenenfalls von den Vertreter*innen Rücksendegenehmigungen.

Sarah: Vor welche Herausforderungen sehen Sie sich denn in Ihrem Berufsalltag gestellt?

Julia Sunderer: Es gibt manchmal Kundenanfragen, die nicht ganz so einfach sind, zum Beispiel wenn nach Büchern gefragt wird, die nicht mehr lieferbar oder nur schwer zu beziehen sind. Außerdem muss man – gerade in Zeiten steigender Kosten – natürlich immer den wirtschaftlichen Aspekt im Blick behalten. Auch hierfür ist eine beständige Lagerpflege und ein gut geplanter Einkauf wichtig.

Sarah: Wenn wir schon von Herausforderungen sprechen, was ist denn das besonders Schöne daran, Buchhändlerin zu sein?

Inhaberin Julia Sunderer in ihrer "Murkelei" (Foto: Buck).
Inhaberin Julia Sunderer in ihrer "Murkelei" (Foto: Buck).

Julia Sunderer: Was mich von Anfang an am Buchhandel gereizt hat, ist, dass man eine Vielfalt an Verlagen hat und dadurch natürlich auch ganz unterschiedliche Buchtitel.
Außerdem ist es schön zu sehen, wenn die Kinder sich über Empfehlungen freuen oder wenn wir positive Rückmeldungen von Eltern oder Großeltern bekommen. Es erfüllt einen mit Freude, Kinder für das Lesen zu begeistern und es ist besonders schön, wenn es bei jenen gelingt, die sich mit dem Lesen eher schwertun.
Auch die Gestaltung des Ladengeschäfts und des Schaufensters, das Dekorieren und Präsentieren von Büchern und passenden Non-Book-Artikeln ist eine schöne kreative Arbeit, die uns viel Spaß macht.

Sarah: Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Bücher aus, die in den Laden kommen?

Julia Sunderer: Natürlich ist es zunächst einmal ein wichtiges Kriterium, ob die Autorin/der Autor oder die Illustratorin/der Illustrator bekannt ist. “Die Schule der magischen Tiere” von Margit Auer muss man einfach vorrätig haben, egal, ob es einem persönlich gefällt oder nicht. Oder auch “Gregs Tagebuch” und Marc-Uwe Klings “Neinhorn”. Aber neben dem Bekanntheitsgrad der jeweiligen Person ist auch das Subjektive ein wichtiges Kriterium. Gefallen uns die Illustrationen, die Covergestaltung, haben wir das Gefühl, die kommen bei den Kindern gut an? Welche Themen werden bedient? Wie ist das Buch aufgemacht? Und beim erzählten Kinderbuch ist natürlich die Geschichte das Zentrale. Wir versuchen in möglichst viele Bücher hineinzulesen, denn uns ist natürlich auch der literarische Gehalt sehr wichtig. Ist das Buch gut geschrieben, sodass Kinder schnell in die Handlung hineinfinden?

Sarah: Und gibt es auch Bücher, die Sie auf keinen Fall in Ihren Laden nehmen würden?

Julia Sunderer: Wenn Bücher diffamierende oder diskriminierende Inhalte enthalten, ist das natürlich ein Ausschlusskriterium. Was wir aber auch wenig bis gar nicht führen, sind Lizenzmarken, also Filmbücher oder Bücher zu Serien, die beispielsweise auf Disney Channel oder Toggo laufen.
Bücher, die uns rein optisch nicht gefallen oder bei denen wir den Text als zu sperrig empfinden, würden wir selbstverständlich auch nicht einkaufen.

Sarah: Warum haben Sie denn einen eigenen Laden aufgemacht?

Julia Sunderer: Schon während meiner Ausbildungszeit habe ich das immer im Hinterkopf gehabt. Einfach selber entscheiden zu können, wie ich meinen Laden gestalten und welche Titel ich dahaben möchte, war schon immer ein Gedanke, den ich schön fand. Diese Entscheidungsfreiheit war mir ein Herzenswunsch.

Sarah: Also haben Sie sich mit dem Laden einen Traum erfüllt?

Julia Sunderer: Ja, das kann man schon so sagen. Aber es hat natürlich auch Jahre gedauert, bis dieser Traum sich dann auch wirklich umsetzen ließ.

Sarah: Wie haben Sie es denn geschafft, sich in der Branche so zu etablieren, dass Sie einen eigenen Laden haben?

Julia Sunderer: Ich glaube, dafür muss man sich gar nicht unbedingt vorher etablieren. Es gibt ja auch viele, die als Quereinsteiger*innen einen Buchladen eröffnen. Aber es war auf jeden Fall hilfreich, zu wissen, wie die Buchbranche funktioniert, was ein Großhändler und was eine Verlagsauslieferung ist, welche Verlagsvertreter*innen einen besuchen, wann der Einkauf der Neuheiten stattfindet usw. Das hat mir sehr geholfen. Ich glaube, es war einfach wichtig, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten und dann zu schauen, ob ein passendes Ladengeschäft frei wird.

Sarah: Haben Sie dann die Murkelei hier in der Plöck eröffnet, weil ein Laden frei geworden ist, oder wussten Sie schon länger, dass Sie gerne hier sein würden?

Julia Sunderer: Mir war klar, dass ein spezialisiertes Geschäft, also eine Spezialbuchhandlung mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuch, in der Altstadt am besten funktionieren würde. Deshalb bin ich tatsächlich einfach durch die Stadt gelaufen und hatte das Glück, dass dieser Laden frei wurde. Ich habe den Aushang an der Ladentür gesehen und bin mit der ehemaligen Inhaberin ins Gespräch gekommen. In diesen Räumlichkeiten befand sich ja vorher ebenfalls eine Spezialbuchhandlung, der esoterische Buchladen “Lichtblick”. Die Inhaberin des “Lichtblicks” hat sich gefreut, dass das Ladengeschäft auch in Zukunft eine Buchhandlung beherbergen wird.

Innenansicht Kinder- und Jugfendbuchhandlung Murkelei (Foto: Buck).

Sarah: Gibt es etwas, was Sie abschließend sagen oder all denen, die mit dem Gedanken spielen, selbst eine Buchhandlung zu eröffnen, mit auf den Weg geben möchten?

Julia Sunderer: An dieser Stelle möchte ich von Herzen meinen Mitarbeiterinnen danken, die hier jeden Tag eine tolle Arbeit tun und mit denen die Zusammenarbeit so unglaublich viel Freude macht.
Auch wenn die Zeiten im Einzelhandel momentan sicher nicht ganz einfach sind, möchte ich alle, die in die Buchbranche einsteigen möchten, bestärken, an diesem Vorhaben festzuhalten. Die Branche ist sehr vielseitig und bietet viele Möglichkeiten. Und es ist in jedem Fall ein großes Geschenk, eine eigene Buchhandlung zu haben. Dir, liebe Sarah, vielen Dank für das nette Interview und für dein Interesse an der Murkelei. 
 

 
Kinder & Jugendbuchhandlung Murkelei
Plöck 46a, 69117 Heidelberg
www.buchhandlung-murkelei.de
Deutscher Buchhandlungspreis 2020
Ausgezeichneter Lesepartner für Kinder- und Jugendliteratur BaWü 2021 und 2023/24

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