Gleiche Möglichkeiten
demokratischer Einflussnahme für Frauen und Männer?
Brauchen wir ein neues Wahlrecht? Darüber diskutierten interessierte Frauen und bekannte Gesichter aus Lokal- und Landespolitik auf Einladung des Amtes für Chancengleichheit zum Internationalen Frauentag 2010. Für die aus Heidelberg im Landtag Baden-Württemberg vertretenen Parteien CDU und Grüne waren Katrin Schütz (CDU) und Theresia Bauer (GRÜNE) zu Gast; Frau Schütz als Vertreterin des Heidelberger Landtagsabgeordneten Werner Pfisterer.
Heidelberger GemeinderätInnen, VertreterInnen und Vertreter des AusländerInnenrat/Migrationsrats, der Bezirksbeiräte und des Beirats von Menschen mit Behinderungen meldeten sich aus dem Publikum zu Wort. Durch den Abend führte die Journalistin Kirsten Baumbusch, über den aktuellen Forschungsstand referierte Dr. Elke Wiechmann.
99 Jahre und noch kein Durchbruch …
In seiner Begrüßungsrede (67 KB) hatte Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner noch einmal den mühsamen Weg der demokratischen Einflussnahme von Frauen nachgezeichnet: 99 internationale Frauentage und 92 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland haben noch immer keine gleiche Teilhabe für Frauen und Männer erreicht.
Trauen sich die Frauen wirklich nicht?
Als Ursache dieses Ungleichgewichts werden auch die Frauen selbst gesehen: Sie trauen sich nicht. Sie haben zu wenig Zeit wegen der Familie. Sie sind unsicher, ob sie die geeignete Qualifikation mitbringen.
Woran liegt’s denn nun?
Eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie zur "Unterrepräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik" eröffnet neue Perspektiven, aktiv gegen Unterrepräsentanz vorzugehen. Die Autorin, Dr. Elke Wiechmann von der FernUniversität Hagen, stellte in ihrem spannenden Vortrag (359 KB)das Ergebnis vor: "Parteien machen den 'feinen' Unterschied! Die klar definierte Festlegung von hohen Quoten in den Parteien führt zu einer stärkeren Repräsentanz von Frauen." Dass dies tatsächlich funktioniert, hat Frankreich vorgemacht. Aufgrund des Parité-Gesetzes ist der Frauenanteil in den Parlamenten der Kommunen mit mehr als 3.500 EinwohnerInnen von 25,7 auf durchschnittlich 48,5 Prozent gestiegen. In Heidelbergs Partnerstadt Montpellier liegt er aktuell bei 47 Prozent – mehr dazu im Beitrag des Montpellier-Hauses (54 KB).
Reizwort "Quote"
Die Landtagsabgeordnete der CDU, Katrin Schütz, hielt dagegen: "Ich will keine Quotenfrau sein, ich wollte wegen meiner Kompetenz gewürdigt werden." Sie wurde bestärkt von FDP-Stadträtin Margret Hommelhoff, die für ihre Partei Quoten ganz energisch ablehnte. Auch Dr. Reinhild Ziegler, Vorsitzende der Freien Wähler in Heidelberg, sprach sich gegen Quoten aus.
Heidelbergs Landtagsabgeordnete für die Grünen, Theresia Bauer, trat für die Quote ein und erinnerte an den Gesetzentwurf von 2008. Damals hatten sich die Grünen für die paritätische Besetzung der Kommunalwahllisten eingesetzt, der Entwurf habe aber leider keine Mehrheit gefunden. "Wenn wir so weitermachen", so ihre Befürchtung, "ist paritätische Mitsprache auch für unsere Enkelkinder noch keine Selbstverständlichkeit."
Was machen die Heidelberger Parteien?
In Heidelberg beträgt der Frauenanteil im Gemeinderat 40 Prozent. Wie haben es die Parteien geschafft, was machen sie, damit Frauen angemessen repräsentiert sind? Statements für ihre Parteien im Heidelberger Gemeinderat gaben sechs Frauen und ein Mann ab:
- Ulrike Beck, Altstadträtin der GAL: "Mir persönlich wurde der Einstieg in die Politik sehr erleichtert durch die Zukunftswerkstätten in den Stadtteilen, die Frau Domzig durchgeführt hat."
- Derek Cofie-Nunoo, Stadtrat der generation.hd: "Grundsätzlich strebte generation.hd eine paritätische Zusammensetzung des Wahlvorschlags für die Kommunalwahl 2009 an, bis Platz 20 haben wir das erreicht."
- Beate Deckwart-Boller, Stadträtin der Grünen: "Für uns ist die paritätische Besetzung selbstverständlich und ich habe als neue Stadträtin viel Unterstützung erfahren!"
- Margret Hommelhoff, Stadträtin der FDP: "Durch eine persönliche Ansprache von uns Stadträtinnen lassen sich Frauen leichter zu kommunalen Kandidaturen bewegen als ohne."
- Dr. Monika Meißner, Stadträtin der SPD: "Die SPD-Fraktion im Heidelberger Gemeinderat besteht aus mehr Frauen als Männern! Wie haben wir das erreicht? In der SPD gibt es schon lange die Quote. "
- Hildegard Stolz, Stadträtin Bunte Linke/Die Linke: "Die Bunte Linke/DIE LINKE hat kein Problem mit Quotierung – oder doch?"
- Dr. Reinhild Ziegler, 1. Vorsitzende der FWV: "Spitzenpositionen auf der Liste wurden insbesondere von den jüngeren Frauen nicht gewünscht, wir hätten uns darüber gefreut."
Was macht die Stadt Heidelberg?
Dörthe Domzig, Leiterin de Amtes für Chancengleichheit: "Wir können uns dafür einsetzen, dass eine qualifizierte Gleichstellungspolitik selbstverständliche Kultur in allen Schlüsseleinrichtungen der Stadt wird und in Heidelberg starke Frauennetzwerke lebendig sind. Genau das verwirklichen wir mit dem Prozess der Umsetzung der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene, den wir in Heidelberg seit 2007 konsequent verfolgen."
Zum Schluss: Ein Appell
Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner: "Wir alle sind gefordert, Verantwortung für die Lösung des Problems der Unterrepräsentanz zu übernehmen – Kommunen, Parteien und Länder und ich wünsche uns allen viele gute Anregungen und den Mut, diese dann gemeinsam umzusetzen."
Weitere Infos
EU-Gleichstellungscharta
"Unterrepräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik. Parteien machen den "feinen" Unterschied (2009), Studie von PD Dr. Lars Holtkamp, Dr. Elke Wiechmann und Sonja Schnittke (359 KB)